Zwei Frauen, Mutter und Tochter, wollen den Mann und Vater zurückerobern. Sie finden ihn an einem Baggersee, auf der gegenüberliegenden Seite in einem Kran, mit der über den Grund des Sees schürft. Einen Sommer lang locken die beiden den Unerreichbaren. Sie überwinden die Scheu, zeigen sich nackt der Sonne und zetteln fast einen freikörperlichen Aufstand an. Täglich spielen sie auf den Blockflöten Vaters Lieblingskonzert. Doch es scheint, als könnten die beiden Sirenen den Odysseus, der auf dem See seinen Bagger führt, nicht bezirzen. Das Blechboot liegt an dem Ungetüm zur Überfahrt bereit. Wird der Ersehnte hineinsteigen und übersetzen?
hoerspielTIPPs.net:«„Das Blechboot“ ist ein leises, sommerleichtes Kammerspiel über Hoffnung, Beharrlichkeit – und die Frage, ob man jemanden zurückholen kann, der innerlich schon woanders ist. Eine Mutter und ihre Tochter fahren Tag für Tag an einen Baggersee. Drüben, auf einem Kran, arbeitet der Mann/Vater. Die beiden machen es sich am Ufer „häuslich“, die Tochter spielt auf der Blockflöte sein Lieblingsstück – Lockruf über das Wasser –, und immer steht da dieses kleine Blechboot als Möglichkeit, als Brücke, als vielleicht letzter Versuch. Wird er kommen? Diese einfache Set-up trägt das Stück: viel Dialog, viel Zwischenton, lakonischer Humor und eine zarte Melancholie, die unter der Oberfläche mitschwingt.
Die Inszenierung setzt genau darauf: reduziert, konzentriert, sehr nah an den Stimmen – eher Kammerspiel als Effekt-Hörspiel. Musik und Geräusch (Schilf, Wasser, Ferne des Baggers) sind sparsam, aber pointiert eingesetzt; dadurch entsteht ein ruhiger Sog, der die Beziehung zwischen Mutter und Tochter in den Mittelpunkt rückt. Getragen wird das von starken SprecherInnen – Jutta Wachowiak und Margit Straßburger –, unter der präzisen Regie Fritz Göhlers mit Musik von Wolfgang Schoor. Ergebnis: kein lautes Drama, sondern ein feines, tragisches Sommerbild, das länger nachklingt.
Wer große Wendungen erwartet, wird hier nicht fündig; wer sich aber auf die stille Spannung einlässt – das tägliche Ritual, der Blick über den See, die Ungewissheit, ob das Blechboot sich je löst – bekommt ein kleines Zeit- und Gefühlsdokument, das erstaunlich modern wirkt. Und ja: Gerade weil alles so schlicht bleibt, funktionieren Symbolik und Emotionalität umso besser.»
Ursendung: 06.06.1985
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